Fortsetzung

Da müssen wir Normalmenschen neidisch sein?

Ja, aber einige könnten sich auch ein Beispiel nehmen. Etwa, nichts mehr unter den Tisch zu kehren, sondern mal eine offene Familienkonferenz zu machen.

Was können wir noch aus der Lektüre von Geschwistergeschichten lernen?

Ich war als Geschwisterexperte einmal in einer Talkshow, zusammen mit mehreren Geschwistern von Promis, wie Florian Lauda, der Halbschwester von Kanzler Schröder und noch ein paar aus dem Showgeschäft. Da war auch Reinhold Messner, mit dem hatte ich ein sehr intensives Gespräch. Er sagte, er hatte phasenweise das Gefühl, direkt nach der furchtbaren Geschichte am Nanga Parbat...

...sein jüngerer Bruder war dort 1970 tödlich verunglückt...

...dass er die Kraft der Bruders in sich aufgenommen, sich doppelt stark gefühlt habe. Dieses Phänomen gibt es, wenn ältere Geschwister jüngere überleben. Zwar ist da Trauerarbeit, wenn sie eng verbunden waren, die kriegen manchmal aber auch einen Kick, quasi eine Phantasie von Unsterblichkeit.

Welche Position in der Geschwisterkonstellation ist die beste Voraussetzung für beruflichen Erfolg, Karriere, gar Prominenz? Gibt es eine Faustregel?

Die gibt es schon, wenigstens Geschichten, Hinweise, die untermauern, dass es eher der Erstgeborene ist, der ein Stückchen erfolgreicher sein kann. Aber das gilt vor allem für Geschwisterkohorten der Vergangenheit. Dieses patriarchale Postulat des ‚Stammhalters’ existiert nicht mehr in großem Ausmaß. Das gibt es nur noch auf Einödhöfen, wenn es um einen Hoferben geht, oder bei Fürsten, wenn es um die Geburt eines Thronfolgers geht.

Interview: Stefan Schmitt

 

Zur Person:
Hartmut Kasten, Professor für Psychologie und Pädagogik in München, beschäftigt sich mit Geschwistern und hat mehrere Bücher zum Thema veröffentlicht. Eine Leseprobe seines Titels „Geschwister – Vorbilder, Rivalen, Vertraute“ steht als PDF-Dokument zum Download bereit.

 

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