„Der Stoff, aus dem man Filme dreht“

Geschwisterforscher Hartmut Kasten im Interview zu Geschwisterkonstellationen, Erfolg und unsere Neugier auf prominente Geschwister.

ZEIT-Wissen: Professor Kasten, können Geschwister zueinander sagen: Du hast mein Ich gemacht?

Kasten: Nicht umsonst wird von vielen Psychoanalytikern behauptet, das sei die engste und vertrauteste Beziehung die es überhaupt gibt, enger und vertrauter noch als die intimste Liebesbeziehung. Zwei Schwestern, altersmäßig ganz eng benachbart, die sind quasi seelisch voreinander nackt.

Warum faszinieren uns gerade jene Geschichten mit prominenten Geschwistern?

Vordergründig, weil wir alle Geschwister haben und weil jeder mitreden kann, Identifikation. Die Klitschko-Brüder und ihre Vorbildfunktion zum Beispiel. Da guckt man vielleicht sogar, wie machen die das und wie mache ich es selbst? Geschwisterbeziehungen sind eigentlich ein typischer Stoff für die Regenbogenpresse – Freude, Liebesleid und Affären? Das ist ein Stoff an dem jeder gerne partizipiert. Das ist bei Geschwisterbeziehungen halt ein charakteristisches Kennzeichen, eine tief wurzelnde Zwiespältigkeit, ein ganz spannender Stoff. Liebe und Hass eng beieinander.

Leben prominente Geschwister Konstellationen vor, die Sie als Wissenschaftler erforschen?

Ich verfolge das eigentlich sehr intensiv und habe den Eindruck, dass die allermeisten Medien das recht klischeehaft darstellen, auf zwei, drei Prototypen reduziert. In Wahrheit ist für den Forscher jede Geschwisterbeziehung so was wie ein Universum, etwas Einzigartiges. Und jede ist ein bilaterales Konstrukt, da sind immer zwei beteiligt. Und die haben ihre ganz individuelle Wahrnehmung. Es gibt zum Beispiel sehr häufig den Fall, dass das ältere Geschwister die Rivalität, das Eifern, das Buhlen um Anerkennung seiten des Jüngeren gar nicht wahrnimmt....

...wie im Falle von Kylie Minogue: deren jüngere Schwester Dannii – ebenfalls Sängerin und Schauspielerin – sich darüber beschwert, dass Kylie immer schon überall gewesen ist, wo sie hinkommt?

Wenn über solche Beziehungen berichtet wird, gilt immer das ungeschriebene Gesetz, das verlangt: Geschwister haben gefälligst für einander da zu sein! Solidarisches Verhalten, sich gegenseitig helfen. Dabei ist das alles andere als selbstverständlich.

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